Stell dir vor, du hast ein richtig geiles Produkt, in das du dein ganzes Know How und all deine Begeisterung gesteckt hast. Du bist stolz darauf und sicher, dass es großartig für deine Kund:innen ist. Aber irgendwie verstehen das deine Kund:innen nicht. Das Verkaufen fühlt sich schwer für dich an und du hast das Gefühl, dass du deine Käufer:innen überzeugen musst.
Vielen Unternehmer:innen geht es so und für viele ist die logische Folge, dass sie versuchen über den Preis zu verkaufen. Leider gerätst du dadurch in eine Falle, aus der du dich nur schwer wieder befreien kannst. Die Konsequenz ist, dass du für weniger Geld mehr arbeiten musst und dass dir dein Business keinen Spaß mehr macht.
Kund:innen kaufen keine Features
Ein Hauptgrund dafür könnte sein, dass du deinen Kund:innen all die tollen Features deines Produktes oder deiner Dienstleistung aufzählst, ihnen aber nicht vermittelst, was sie davon haben. Eigenschaften lösen keinen Kaufwunsch aus. Sie brauchen Erklärungen und überzeugende Argumente. Ganz logisch, dass Verkaufen dadurch schwierig wird.
Ein Klassiker ist im Marketing dafür die Geschichte über die Bohrmaschine und das Loch. Sie führt zurück auf den Satz von Theodore Levitt, Wirtschaftswissenschaftler an der Harvard Business School:
„People don’t want to buy a quarter-inch drill, they want a quarter-inch hole.“
„Die Menschen wollen keine Viertel-Zoll-Bohrer kaufen, sie wollen ein Viertel-Zoll-Loch“
Obwohl Levitt das vermutlich schon in den 1960er Jahren gelehrt hat, hält sich hartnäckig der Irrglaube, dass Produktbeschreibungen nicht sexy sein dürfen. Die folgende Anzeige ist tatsächlich aktuell, ich habe sie vor 10 Minuten im Online-Handel gefunden.
E-Akku-Schlagbohrschrauber DHP459RMBX
- 18 V (4 Ah)-Li-Ion-Akku
- 0 – 400 / 0 – 1.500 U/min.
- Schlagzahlen: 0 – 6.000 und 0 – 22.500 Schläge/min.
- 16 Drehmomentstufen, 1 Bohrstufe und 1 Schlagbohrstufe
- max. Drehmoment weich: 25 Nm, hart: 45 Nm
- Bohrleistung in Stahl und Beton: 13 mm, in Holz: 38 mm
- 13 mm-Schnellspannbohrfutter
- bürstenloser Motor für deutlich höhere Laufzeit und Leistung
- LED-Licht
- Spindelarretierung
- inkl. 36-min.-Schnell-Ladegerät, 2tem Akku-Pack, 31-tlg. Bits-Satz und Gürtelhaken
Gähn! NIEMALS werde ich beim zufälligen Surfen im Internet darauf stoßen, mir denken „wie interessant!“ und es in meinen Warenkorb legen.
Kund:innen kaufen Problemlösungen
Etwas anders sieht die Sache aus, wenn jemand gerade ein Loch in der Wand braucht. Diese Person hat ganz klar ein Problem, das dieses Angebot für sie lösen kann. Es ist zumindest im Rennen, allerdings mit anderen Möglichkeiten, ein Loch in die Wand zu bekommen und dank der Erfindung des Online-Handels mit unzähligen anderen Bohrmaschinen-Angeboten von anderen Anbietern.
Was für die Bohrmaschine gilt, kannst du (fast) auf jedes Produkt und jede Dienstleistung umlegen. Damit dein Angebot aus der Masse heraussticht und potenzielle Kund:innen ganz sicher sein können, dass es auch wirklich ihr Problem löst, musst du das auch konkret ansprechen! Schließlich liegt es nicht immer so auf der Hand, wie bei der Bohrmaschine.
Die grundliegende Idee ist also, die Lösung für das Problem zu verkaufen. Man nennt das den Kundennutzen oder Customer Value. Mir gefällt der englische Begriff besser, denn Value bedeutet „Wert“ und genau darum geht es. Ein Produkt oder eine Dienstleistung muss immer einen Wert für Kund:innen haben.
Hier sind zwei Beispiele dafür, wie eine Produktbeschreibung aussehen könnte, die den Kundennutzen anspricht.
Mit dieser leichten, aber starken Bohrmaschine bekommen sie mühelos Löcher in dicke Betonwände – auch ohne Muskeln wie Chris Hemsworth. 😉
Wenn du Handtaschen anstatt Bohrmaschinen verkaufst, könnte das so aussehen:
Die Tasche hat zwei große Innenfächer, in die mühelos dein iPad Pro und die nicht ganz so kleinen Dinge passen, die Frau mit braucht. Vom knalligen Kontrastfutter heben sich auch die kleinsten Gimmicks gut ab, sodass sie keine Chance haben, sich in der Tasche zu verstecken.
Seit Levitt gilt es als goldene Regel im Marketing, die „Problemlösung“ und damit den funktionalen Kund:innennutzen anzusprechen. Der Knackpunkt ist aber, dass du den Mitbewerb dadurch noch immer nicht wesentlich verringerst und das schlagkräftigste Argument für dein Angebot der Preis ist.
So fallen Kaufentscheidungen wirklich
Glücklicherweise trifft aber nicht unser Verstand allein die Kaufentscheidungen. Die Welt wäre weit weniger bunt und unterhaltsam, wenn das so wäre. Es gäbe keine Luxus-Labels, keine Dinge, die einfach nur schön sind, kein Netflix und wahrscheinlich keine Schokokekse. 😢
Wie treffen wir dann unsere Entscheidungen?
Wir treffen unsere Kaufentscheidungen zu mehr als 70-80% unbewusst. Du glaubst das nicht? In einem der tollen Bücher von Hans Georg Häusel habe ich dieses wunderbare Beispiel gefunden, das ich für dich ein bisschen aufgepeppt und nochmal nachrecherchiert habe:
Wie du Wasser zu Gold machst
Stell dir vor, du hast gerade dein Workout hinter dir und fühlst dich so richtig ausgetrocknet.
Du kannst deinen Durst mit einem Glas Leitungswasser löschen.
Nachdem Österreich eines der wasserreichsten Länder der Welt ist, kostet Wasser aktuell 0,15 Cent (€ 0,0015)/Liter
Du kannst dir zum Training allerdings auch eine Flasche Mineralwasser aus dem Supermarkt mitnehmen. Die kostet rund 60 Cent, also € 0,6/Liter und damit schon das 400-fache des Leitungswassers.
Mineralwasser gibt es ja richtig viel im Supermarkt. Mein Ästetikerinnen-Blick ist an einer superschönen, stylischen 375ml Glasflasche hängen geblieben und ohne mit der Wimper zu zucken habe ich €5,35/Liter bezahlt. Was das für meinen ökologischen Fußabdruck heißt, darüber will ich gar nicht nachdenken. 🙈 Jedenfalls ist der Preis des norwegischen Leitungswassers 3566,67mal so hoch wie der seines österreichischen Counterparts aus meiner Küchen-Wasserleitung.
Spielen wir das Spiel weiter und stellen wir uns vor, du und ich gehen nach dem Workout noch in eine schicke Bar! Vielleicht in die Sky Bar in der Wiener Kärtnerstraße. Dasselbe Wasser, das wir ein paar Zeilen weiter oben im Supermarkt gekauft haben, kostet in der angesagten Bar mit der mega Aussicht an die €16/Liter, also das 10666,67-fache. 😲 Dafür ist es aber eindeutig verlockender, seinen Durst in einer angesagten Bar zu löschen, dabei den großartigen Ausblick zu genießen und mit dem Selfie des Jahres auf Insta den Jackpot zu knacken, als sein Wasser aus der Leitung in der eigenen Küche zu trinken.
Ich weiß, Harrods in London hat vielerlei Spannendes anzubieten. Falls du einmal hinkommst, solltest du auch einen Blick aufs Wasser werfen. Du findest dort um € 80/Liter Svalbardi Wasser, das von schmelzenden Eisbergen gewonnen wird.
Das teuerste Wasser der Welt kommt aus dem japanischen Rokko-Gebirge und verspricht durch regelmäßigen Konsum ein besonders hohes Alter. Das „Rokko No Mizu“ kostet € 124/Liter – allerdings nicht in Japan selbst, denn dort ist es für knapp €1/Liter zu bekommen.
Du siehst, was die Alchimisten im Mittelalter nicht zustande gebracht haben, ist heute möglich. Aus Wasser lässt sich Gold machen.
Kund:innen kaufen Emotionen
Das Produkt in dem Beispiel hat sich im Wesentlichen nicht verändert, es war zu Beginn Wasser und ist am Ende Wasser. Wie kommt es dazu, dass Menschen das 82666,67-fache bezahlen, wenn im Grunde dasselbe Bedürfnis befriedigt wird?
Sicher ist dir aufgefallen, dass mit ansteigendem Preis der Durst nicht mehr das primäre Kund:innenbedürfnis ist. Das Wasser wird mit verschiedenen Emotionen aufgeladen, die dem Produkt einen Wert und Bedeutung geben.
Artur Schopenhauer sagte
„Ein Mensch kann zwar tun was er will, aber nicht wollen was er will“
Du siehst also, dein Verstand hat keine Chance gegen Schokokekse! (Oder was auch immer dir höchste Glückseligkeit verspricht.)
Das kommt daher, dass Emotionen in unserem Gehirn in einem Bereich verarbeitet werden, der nicht vom Verstand gesteuert wird – im limbischen System. Wissenschaftlich erklärt findest du das bei Hans Georg Häusel, der mit Limbic® auch das dazugehörige Modell fürs Marketing entwickelt hat.
Alle, die – wie ich😉 – schon auf Seite drei ausgestiegen sind, können sich die Vorgänge im Limbischen System wie ein Navi vorstellen, das uns auf dem richtigen Weg hält. Sind wir auf dem richtigen Weg, belohnt es uns mit einem Gefühl der Lust, weichen wir ab, bestraft es uns mit einem Gefühl von Schmerz oder Abscheu.
Was hat Lust und Unlust mit dem Verkaufen zu tun?
Der dopamingesteuerte Mensch möchte sich immer im Bereich der Belohnung aufhalten, deshalb musst du mit deinem Produkt eine von zwei Möglichkeiten erfüllen – Lust wecken oder Unlust vermeiden.
Ich meine dabei nicht nur sexuelle Lust. Auch andere Emotionen können das Belohnungszentrum im Gehirn ansprechen. Das sind zum Beispiel Sicherheit, Stabilität, Konkurrenzverdrängung, Stolz, Siegesgefühl, Neues, Entdeckung, Überraschung, Geborgenheit, Liebe, …
Auch auf der anderen Seite, dem Bestrafungszentrum gibt es starke Emotionen. Das können z.B. Risiko, Machtlosigkeit, Langeweile, Verlassenheitsgefühl, nicht gebraucht werden und mehr sein.
Je besser es dir gelingt, über eine dieser Emotionen Lust zu verschaffen oder Unlust zu vermeiden, umso leichter wirst du dein Produkt oder deine Dienstleistung verkaufen und umso höher kann der Preis sein.
So kommunizierst du den Kund:innennutzen über Emotionen
Ich hab ja keine Ahnung, ob das ausgewählte Beispiel dafür das richtige Gerät ist, aber mein Argument für die berühmte Bohrmaschine wäre:
Pfeif auf den Nachbarn – mit der Makita rockst du deine Wohnträume dann, wann du es willst!
Das schreit nach Unabhängigkeit, findest du nicht?
Aber falls es doch die Taschen sind …
Vom Businesstermin zur Vernissage und dann mit dem Rad nachhause? Diese Tasche ist so flexibel, wie dein Leben!
Freiheit pur!
Hier die Zusammenfassung und eine kurze Anleitung:
Wie du mit maximalem Kund:innennutzen einfach und leicht verkaufst
Diese Art der Analyse funktioniert nicht, wenn du in deiner Rolle als Anbieter:in des Produktes oder der Dienstleistung bleibst. Du weißt ja schon, wie großartig dein Produkt ist. Nur deine Kund:innen erkennen das noch nicht. Deshalb musst du dich in ihre Rolle versetzen, quasi in ihre Schuhe schlüpfen. 🤔Ja, das kennst du schon aus der Persona-Methode.
- Frag dich zu deinem Produkt: Was bekomme ich, wenn ich kaufe? Wie sind die Eigenschaften?
In unserem klassischen Beispiel wäre das ein Gerät, das bohren und schrauben kann. Es ist leicht, aber leistungsstark.
Viele Produktbeschreibungen, wie auch die Anzeige von ganz oben stoppt nach diesem Schritt. Verkaufen ist megaschwierig!
- Frag dich weiter: Löst das Produkt oder die Dienstleistung mein Problem?
Falls mein Problem herumliegende Bücher sind, definitiv! Ich bekomme mein Bücherboard aufgehängt.
In diesem Schritt ist das Produkt allerdings nur eine Möglichkeit zur Problemlösung von vielen. Ich könnte mir einen schicken Bücherschrank vom Tischler zimmern lassen, das Regal mit „Pattex – kleben statt bohren“ aufhängen, meine Bücher einfach in eine Kiste packen oder die Bohrmaschine bei Amazon bestellen. Verkaufen ist leichter, du musst dich aber gegen den Mitbewerb behaupten.
- Frag dich daher noch weiter: Was ändert sich für mich? Wird mein Leben leichter, bequemer oder schöner?
Ich muss nicht warten bis der Nachbar oder sonst jemand endlich Zeit hat.
Oh yes! Das hört sich schon viel besser an, es kommt Emotion ins Spiel. Verkaufen ist leicht, die Emotion arbeitet für dich!
- Frag jetzt noch: Was bringt mir das? Welches Gefühl der Lust bereitet mir das Produkt oder vor welchem Gefühl von Unlust bewahrt es mich?
Im Beispiel ist das Selbständigkeit oder Unabhängigkeit.
Das sind die Begriffe, mit denen du weiterarbeiten kannst. Finde Formulierungen und sprachliche Bilder, mit denen du die Emotion ansprechen kannst – auf deiner Website, im Onlineshop, in deinen Print-Werbemitteln, … Denn je mehr davon, desto leichter kannst du verkaufen UND desto höher kann dein Preis sein.
Wenn du also keine Lust mehr auf anstrengende Verhandlungen und Preisdumping hast, hüpf in die Schuhe deiner Kund:innen und leg los!
Viel Spaß dabei!
Kornelia von E-deenreich